Vor meinem Aufbruch nach Moskau habe ich oft darüber nachgedacht, wie es wohl sein wird, das erste Mal auf dem Roten Platz zu stehen. Einen Platz, den wohl jeder zumindest von Nachrichtenbildern kennt und der auch sinnbildhaft für Russland und seine Geschichte steht. Würde ich wohl Moskauer Nächte summen, während ich zwischen GUM und Kremlmauer entlangspaziere?, dachte ich. Nein, das ist mir dann doch zu kitschig.
Aber am Tag nach meiner Ankunft habe ich mich dann am Abend aus meinem Quartier hier im östlichen Bezirk Novogireevo in die Metro gesetzt und bin nach Kitai-Gorod gefahren. Von dort sind es zehn Minuten bis zum Roten Platz. Leichtes Schneegestöber und vielleicht -5 Grad, also für Moskau um diese Zeit fast angenehm. Und ein bisschen stieg schon die Anspannung als ich in der Ferne schließlich die Kremlmauer sah.
Und dann wendete ich mich nach links und sah auch schon die Basiliuskathedrale. Irgendwie wirkte sie kleiner als auf all den Bildern die man kennt. Alle Gebäude wirken kleiner bis auf den Platz selbst, der wirkt riesig. Als ich dann über das schwarze zugeschneite Pflaster spazierte, war das schon ein komisches Gefühl. Irgendwie ist der Rote Platz ein unheimlicher Ort: Links an der Kremlmauer ein Friedhof, rechts am Nobelkaufhaus GUM der traditionelle Weihnachtsmarkt, von dem Folklore-Schlager und bunte Lichter herüberwallten. Auf der Höhe des Lenin-Mausoleums befand sich der Eingang zur traditionellen Eisbahn, die immer im Winter dort ist. Und so ging ich durch den langen Schlauch der diese beiden Welten trennte – Nekropole an der Kremlmauer und den Weihnachtsmarkt und fühlte, das diese Trennung auch ein altes und neues Russland darstellt. Auf der einen Seite die menschenleeren sozialistischen Artefakte die von grimmigen Soldaten bewacht werden und rechts der bunte Kapitalismus. Irgendwie steht sich (vielleicht gerade zur Winterzeit) beides kontrastrierend am Roten Platz gegenüber.
Und damit steht der Rote Platz vielleicht auch sinnbildlich für die diffuse Mischung zwischen alten Artefakten und Moderne, die im heutigen Russland zu sehen ist. An vielen Gebäuden und in den Metrostationen in Moskau finden sich noch Hammer-und-Sichel-Symbole. Doch drumherum ist alles modern, clean und auch digital.
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